Freitag, April 19

Schattenseiten des Onlinehandels: Gefangen auf hoher See

Seefracht und deren Beförderung, sollte ebenso ein Thema im Onlinehandel sein, wie die Arbeitsbedingungen von Paketboten. (Foto: Depositphotos/Begemot)
Seefracht und deren Beförderung, sollte ebenso ein Thema im Onlinehandel sein, wie die Arbeitsbedingungen von Paketboten. (Foto: Depositphotos/Begemot)

Weltweit sitzen Seeleute auf Schiffen ohne Lohn fest, weil ihr Arbeitgeber das Schiff aufgegeben hat. Hintergrund einer Tragödie und was Onlinehändler dagegen unternehmen können.

Als Kapitän Ayyappan Swaminathan seine Tochter wiedersah, waren zweieinhalb elende Jahre verstrichen. Jahre, die der Kapitän im persischen Golf auf einem rostigen Frachter vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate verbrachte, so berichtet der Spiegel in einer Reportage. (Paywall) Sein Dilemma: Sein Arbeitgeber zahlte die Heuer für die gesamte Besatzung nicht, anlegen durfte Swaminathan ohne zahlende Reederei in keinem Hafen – und Swaminathan konnte sein Schiff auch nicht verlassen. Es gibt eine Regelung, die es erlaubt das Schiff zu verkaufen, um ausstehende Heuer einzutreiben. Der Haken an der Sache: Seeleute verlieren den Anspruch auf ihren Lohn wenn sie das Schiff verlassen.

Also sitzen weltweit in einem kafkaesken Trauerspiel hunderte Seeleute auf ihren Schiffen auf vergammelten Matratzen, fischen Fisch um sich am Leben zu erhalten und warten auf eine Einigung mit ihrer zahlungsunfähigen Reederei. Das kann Wochen, Monate oder Jahre dauern, Zeit die in lebensunwürdigen Umständen oftmals auf uralten Frachtern verbracht wird.

Im vergangenen Jahr sollen hunderte Seeleute auf 40 Schiffen festgesessen haben, in diesem Jahr seien noch offiziell 82 Fälle bekannt. Die Dunkelziffer ist deutlich höher. Die NGO Human Rights at Sea meldet, dass aufgrund der Covid19-Pandemie so viele Hilferufe von Seeleuten eingehen wie nie zu vor.

Spiegel „Wenn der Arbeitsplatz zum schwimmenden Gefängnis wird“, 25.05.2020 von Laura Höflinger.

Seeleute sind die Paketboten des Zwischenhandels, der Onlinehandel profitiert von günstigen Seefracht-Konditionen um Produkte günstig aus aller Welt nach Deutschland zu schaffen. Ebenso wie wir uns mit den Arbeitsbedingungen des Paketboten kritisch auseinandersetzen, müssen wir uns auch damit auseinandersetzen, welche Arbeitsbedingungen Seeleute erleiden müssen um unseren Welthandel am laufen zu erhalten.

Für viele windige Reedereien ist es schlicht billiger, Schiff und Mannschaft aufzugeben, als für das Anlegen, Ausschiffen und die Heuer geradezustehen.

Wie Onlinehändler die Arbeitbedingungen von Seeleuten verbessern können

Das Seearbeitsübereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation verpflichtet Reedereien sich für solche Fälle abzusichern, 90 Länder haben das Übereinkommen ratifiziert.

Um zu gewährleisten, dass menschenverachtenden Praktiken keinen Vorschub geleistet wird, können Onlinehändler ihren Einfluss bei ihren Exporteuren nutzen um sicherzustellen, dass die genutzte Reederei ihre Schiffe in einem Flaggenstaat führt, der das Übereinkommen ratifiziert hat.

Dazu können Onlinehändler den Frachtbrief (B/L = Bill of Lading) prüfen, den sie in Kopie vom Lieferanten erhalten. Und dann Reederei und Schiff mit Hilfe von Diensten wie Vesseltracker oder den offiziellen Schiffsregistern identifizieren.

Das wird unter Umständen für Mehrkosten sorgen, aber Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen gibt es eben nicht umsonst. Karma auch nicht.

P.S.: Die British Mission To Seafarers freut sich über Spenden. Die Hilfsorganisation ist weltweit in 200 Häfen präsent und leistet wichtige Nothilfe. Auch Kapitän Swaminathan hat von diesem NGO dringend benötigte Lebensmittel bekommen.

Weiterführende Links

Report von Human Rights at Sea
Jahresbericht 2019 von Human Rights at Sea

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